«Will noch möglichst lange Skifahren»

SVMB-Mitglied Irene Bosshard (72) aus Belp BE fährt trotz Bechterew nach wie vor gerne Ski. Tut ihr die Bewegung im Schnee meistens gut, gibt es auch Tage, an denen nicht an den Wintersport zu denken ist. Dennoch will sie ihrer Leidenschaft noch möglichst lange nachgehen.

17. Februar 2022

Irene Bosshard fährt nach wie vor leidenschaftlich Ski, und dies seit ihrer Kindheit. Trotz Bechterew habe sie dieses Vergnügen nie aufgegeben – aber angepasst. «Ich fahre nur bei guten Sicht- und guten Schneeverhältnissen. Das heisst, wenn es schneit oder frisch geschneit hat, fahre ich nicht», erklärt sie. Die Piste sei dann unberechenbar und berge unliebsame Überraschungen, zum Beispiel unsichtbare Eisflächen oder Mulden.

Unsichtbare Mulden können einen Schlag auf die Wirbelsäule verursachen. Sie fahre auch nicht mehr im Neuschnee oder im Frühjahr, wenn der Schnee stark sulzig sei. Ihr Fazit: Im Frühjahr früh aufstehen und nur bis am Mittag fahren. «Bei guten Verhältnissen geniesse ich es dafür umso mehr.» In einem Winter fahre sie im Schnitt etwa an 30 Tagen Ski. Pro Skitag fahre sie etwa drei bis vier Stunden Ski, meistens am Stück.

Feine Vibrationen tun gut

Für Irene Bosshard muss der Himmel nicht unbedingt strahlend blau sein, damit sie auf die Piste geht, aber es sollten gute Lichtverhältnisse herrschen. «Denn was man sieht, kann man mit den Knien und den Hüften abfangen», erklärt sie. Wenn dies nicht möglich ist, gelangen die Schläge direkt auf den Rücken und den Nacken, was beim Bechterew nicht gut ist. Die Beschaffenheit der Piste und des Schnees sind für Irene Bosshard übrigens nicht nur ein Risikofaktor beim Skifahren. Sie sind es auch, die dazu beitragen, dass Irene Bosshard das Skifahren sogar als angenehm für den Bechterew empfindet. «Beim Skifahren entstehen feine Vibrationen, die durch den ganzen Körper gehen. Sie lockern meine Wirbel und dies empfinde ich als sehr entspannend für den Rücken.» Und dies wohlgemerkt, obwohl Irene Bosshard von der Halswirbelsäule aufwärts versteift ist und auch den Kopf nicht mehr gut drehen kann.

«Muss mir nichts mehr beweisen»

Diese Einschränkung sowie ihr Alter berücksichtigt Irene Bosshard bei der Ausübung des Skisports. So meidet sie auch Tage, an denen die Pisten besonders voll sind. Dennoch sieht sie in den anderen Wintersportlern einen Risikofaktor, auf den sie besonders achtet. Viele würden über ihre eigenen Verhältnisse fahren. Früher sei sie auch ab und zu neben der markierten Piste unterwegs gewesen. Doch solche Risiken geht sie heute nicht mehr ein. «Ich muss mir ja nichts mehr beweisen », betont sie.

Bei Ermüdung sofort nach Hause

Als man im ersten Corona-Winter wegen der geschlossenen Restaurants keine längeren Ruhepausen machen konnte, kam das Irene Bosshard sehr gelegen. Denn nach einer Pause brauche sie in der Regel eine längere Anlaufzeit, um wieder entspannt fahren zu können. Ob das mit dem Bechterew zusammenhängt, weiss sie nicht. Aus Erfahrung wisse sie aber, dass sie nach einer Ruhepause von mehr als 30 Minuten meistens nur noch die Talabfahrt mache. Um Stürze zu vermeiden, fahre sie bei unbekanntem Gelände etwas langsamer. Und wenn sie merke, dass sie ermüde, fahre sie sofort nach Hause. «Wenn sich vorhandene Schmerzen nicht bei der ersten Abfahrt lösen und ich mich deshalb verkrampfe, fahre ich auch sofort ins Tal. Doch mit guter Vorbereitung vor dem Winter hoffe ich, dass ich meiner Leidenschaft trotz Bechterew noch möglichst lange nachgehen kann.»

Mit 35 sei ihr gesagt worden, dass sie mit dem Bechterew besser Langlauf machen statt Ski fahren würde. «Doch beim Langlauf kann man ja auch stürzen», sagt sie. Dieser Sportart geht sie daher eher selten nach. Und über ihre liebste Wintersportart, das alpine Skifahren, sagt sie sich: «Solange es noch geht, geht es. Am wichtigsten ist, dass man den Plausch hat und dass man zu sich selbst lieb ist. Jeder Winter, den man schadlos absolviert, ist geschenkt.»

Dieser Artikel ist zuerst in der Zeitschrift «vertical» Nr. 91/Febrauar 2022 erschienen.