Beeinträchtigungen im Arbeitsleben: Wie sehen es die Betroffenen selber?

Der Morbus Bechterew kann bekanntlich zu Einschränkungen bei der Berufstätigkeit führen. Die verminderte Produktivität hat auch indirekte volkswirtschaftliche Kosten. Ein Team von italienischen Forschern interessierte nun aber eine ganz andere Perspektive: diejenige der Betroffenen.

17. Januar 2018
Beeinträchtigungen im Arbeitsleben: Wie sehen es die Betroffenen selber?

ROBERTA RAMONDA ET AL., UNIVERSITÄT PADUA, ITALIEN

Trotz grosser Fortschritte in der Forschung und Behandlung des Morbus Bechterew in den letzten zehn Jahren, vor allem auch durch neue Diagnosetools wie die Magnetresonanztomographie (MRI), wurden die sozioökonomischen Auswirkungen der verschiedenen verwandten Krankheitsbilder rund um den Morbus Bechterew bisher wenig untersucht. Insbesondere die Aufnahme des nicht auf dem Röntgenbild sichtbaren Morbus Bechterew (nicht-röntgenologische axiale Spondyloarthritis, nr-axSpA) in den internationalen Kriterienkatalog führte zu einem Anstieg der Diagnose «Morbus Bechterew». Beide Ausprägungen der Krankheit sind mit einer grossen Belastung durch die Krankheitsaktivität, die eingeschränkte Funktionalität sowie mit einer tieferen Lebensqualität verbunden.

Der Morbus Bechterew tritt in den meisten Fällen bei jungen Erwachsenen erstmals dann auf, wenn sie sich in den produktivsten Jahren ihres Lebens befinden. Nicht selten führt die Krankheit deshalb zu Einschränkungen in der Berufstätigkeit oder gar zu Arbeitsunfähigkeit. Die Reduktion der Produktivität führt zu indirekten, krankheitsbedingten Kosten, die typischerweise mit den Begriffen «Absentismus» (Arbeitsversäumnisse) oder «Präsentismus» (Präsenzzeit entspricht nicht der Produktivität oder den Ergebnissen) beschrieben werden. Um die Einschränkungen zu messen, gibt es beispielsweise den «Work Productivity and Activity Impairment Questionnaire in AS» (WPAI).

Andere Länder, andere Sitten

Vorsicht ist beim Vergleich zwischen verschiedenen Ländern geboten, da die Daten zur Produktivität am Arbeitsplatz und zur Arbeitslosigkeit von verschiedenen lokalen Faktoren abhängig sind, allen voran vom lokalen Sozialsystem. Die vorliegende Umfrage wurde in Italien unter dem Namen Atlantis durchgeführt und hatte das Ziel, Daten und Informationen zur Diagnosestellung und Behandlung des Morbus Bechterew aus der Sicht der Patienten zu liefern. Weiter sollte der Fragebogen den Einfluss der Krankheit auf den Alltag, die persönlichen Beziehungen der Betroffenen, auf Einschränkungen am Arbeitsplatz und die Berufstätigkeit im Allgemeinen untersuchen. Die Befragungen wurden in 17 von 20 Regionen Italiens durch ein Forschungsinstitut und unter Mithilfe von Freiwilligen der italienischen Rheumaliga ANMAR durchgeführt und von Wissenschaftlern begleitet. Insgesamt nahmen 770 Personen an der Befragung teil, 56 % waren männlich, 64 % lebten in einer Beziehung und etwas weniger als die Hälfte arbeitete Voll- oder Teilzeit. Knapp ein Viertel war pensioniert (22 %) und 15 % waren arbeitslos (4 % aufgrund der Krankheit, die restlichen waren Studierende, Hausfrauen oder aus anderen Gründen arbeitslos).

100 bis 200 Euro krankheitsbedingte Kosten – pro Woche

Von den Befragten erlebte rund ein Drittel (36 %) grosse Einschränkungen, die ihre berufliche Entwicklung behinderten. Einer von fünf Patienten musste wegen des Morbus Bechterew die berufliche Tätigkeit ändern, verlassen oder hat deswegen sogar die Stelle verloren. 14 % berichteten von Diskriminierungen im Zusammenhang mit der Krankheit, und ebenso viele waren der Auffassung, dass die Erkrankung einen Einfluss auf ihren Lohn hat. Nach ihren Absenzen in den vergangenen sieben Tagen gefragt, stellte sich heraus, dass der Morbus Bechterew für leicht mehr Absenzen verantwortlich war (59 %) als andere Gründe, nämlich für 7 % der Wochenarbeitszeit. Dieser Zeitverlust wurde aufgrund des italienischen Pro-Kopf-Einkommens in einen Euro-Betrag umgerechnet. Dies ergab, dass die krankheitsbedingten Absenzen bei Menschen mit Morbus Bechterew einem Einkommensverlust zwischen 106 und 216 Euro entsprechen, je nach Schweregrad des Krankheitsverlaufs. Wichtiger noch als dieser finanzielle Aspekt ist die Tatsache, dass fast die Hälfte der Befragten das Gefühl hatte, durch die Krankheit weniger Chancen für die berufliche Entwicklung zu haben. Vor diesem Hintergrund sehen es die Autoren der Studie als sehr wichtig an, die Früherkennung weiter zu optimieren und die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für den Morbus Bechterew weiter voranzutreiben.

Ramonda et al., Arthritis Research & Therapy (2016) 18:78, doi: 10.1186/s13075-016-0977-2