Von «wohlig warm» bis «eiskalt»

Wie kann man Wärme und Kälte nutzen, um die Bechterew-Symptome positiv zu beeinflussen? Was passiert im Körper, wenn wir bei 80 Grad in der Sauna schwitzen oder in der Kältekammer bei minus 110 Grad frieren? Jeder Mensch spricht anders auf Thermotherapien an. «vertical» erklärt die Hintergründe und stellt die Palette an Therapiemethoden vor.

19. Mai 2023

Die Symptome beim Morbus Bechterew sind von verschiedenen klimatischen Faktoren abhängig. Viele Menschen mit Morbus Bechterew berichten, dass ihre Beschwerden in den kühl-feuchten Herbst- und Wintermonaten stärker werden. So ist es denn wenig überraschend, dass das Klima in der Rheumatologie zwar eine wichtige Rolle spielt, die Zusammenhänge zwischen Beschwerden und Wettereinflüssen bisher aber nicht abschliessend geklärt werden konnten.

Die entzündlichen Prozesse beim Morbus Bechterew können auf verschiedene Arten beeinflusst werden. Eine Möglichkeit ist, sie mit Wärme oder Kälte zu behandeln. Faktoren wie die Temperatur und Luftfeuchtigkeit können dazu genutzt werden, um eine Schmerzlinderung zu erreichen. Dabei werden verschiedene Prozesse im Körper in Gang gesetzt. Durch Bewegung, aber auch durch Wärme oder Kälte, wird die Durchblutung gesteigert. Auch die Muskeln und Knochen reagieren auf die Temperatur und Luftfeuchtigkeit. So entspannen sich zum Beispiel die Muskeln bei höheren Temperaturen, was einerseits die Schmerzen lindert und andererseits das Training und somit den Muskelaufbau ermöglicht.

Wir leben also vielleicht nicht im besten Klima für den Morbus Bechterew, jedoch haben wir zahlreiche Möglichkeiten zur Verfügung, um diese klimatischen Defizite auszugleichen. Wir können uns gezielt denjenigen klimatischen Bedingungen aussetzen, die uns guttun.

Lokale und Ganzkörper-Therapien

Wärme- und Kältetherapien haben eine lange Tradition in der Behandlung von rheumatischen Erkrankungen. So war das Kuren mit warmen Bädern im Thermalwasser lange eine beliebte Therapieform bei Bechterew-Betroffenen. Heute weiss man, dass dies alleine nicht ausreicht, um mit den Schmerzen zurecht zu kommen. Es braucht auch aktive Formen der Therapie, bei denen man selber den Körper in Bewegung bringt und somit Durchblutung, Muskelkraft und Knochenstabilität fördert. Dieses Training sollte natürlich immer so erfolgen, dass die entzündlichen Prozesse nicht zusätzlich verstärkt werden.

Die Therapien mit Wärme und Kälte haben sich über die Jahrhunderte stark ausdifferenziert und sind mit der technologischen Entwicklung mitgegangen. Während schon die alten Römer in ihren Bädern die wohltuende Wirkung des warmen Wassers zu nutzen wussten, hatten sie noch nicht die technischen Möglichkeiten, um einen Raum auf minus 110 Grad hinunter zu kühlen, wie dies heute in der Kältekammer gemacht wird. Von diesem Fortschritt profitieren heute auch Menschen mit Morbus Bechterew.

Bei den Therapiemöglichkeiten wird grob zwischen Ganzkörpertherapien und lokalen Therapien unterschieden. Bei den Ganzkörpertherapien wird der ganze Körper der erhöhten oder erniedrigten Aussentemperatur ausgesetzt, während bei der lokalen Therapie nur einzelne Körperteile gewärmt oder gekühlt werden. Zu den Ganzkörpertherapien gehören beispielsweise die Sauna oder die bereits erwähnte Kältekammer. Zu den lokalen Therapien gehören warme Wickel, Infrarot-Behandlungen oder kalte Wickel und Eismassagen.

Wärme beliebter

Die Literatur zum Thema Thermotherapie geht davon aus, dass Menschen mit Morbus Bechterew besser auf Wärme als auf Kälte ansprechen. Dies geht einher mit der eingangs erwähnten Schwierigkeit, die viele Bechterew-Betroffene mit dem kühl-feuchten Klima der Herbst- und Wintermonate bekunden. Dennoch reagiert jeder Bechterew-Betroffene anders auf Temperatur und andere klimatische Faktoren. Es bleibt einem also nichts anderes übrig, als mit der gebotenen Vorsicht verschiedene Dinge auszuprobieren und zu schauen, mit welcher Therapie man die besten Erfolge erzielt.

Sehr beliebt sind zum Beispiel Saunagänge mit den charakteristischen Wechseln von Hitze und Kälte. Diese Wirkung kann bereits mit sogenannten Wechselduschen, bei denen man zwischen heissem und kaltem Wasser wechselt, erreicht werden.

Der Therapie mit Kälte werden eher kurzzeitige Erfolge, vor allem bei akuten Entzündungsschüben, zugeschrieben. Die Kältetherapie kann lokal oder als Ganzkörper-Therapie angewendet werden und löst im Körper mehrere vorteilhafte physiologische Effekte aus, wie zum Beispiel einen schmerzstillenden, einen neuromuskulären, einen antientzündlichen sowie einen Effekt auf den Kreislauf. Eine Studie konnte nachweisen, dass die Ganzkörper-Kältetherapie positive Effekte auf die Krankheitsaktivität, die Funktionseinschränkung, die Schmerzintensität sowie auf gewisse Parameter der Wirbelsäulenmobilität haben kann. Während durch die verschiedenen Therapien – seien es physikalische oder medikamentöse – die Lebensqualität von Bechterew- Betroffenen schon stark gesteigert werden konnte, ist es wichtig, dass die Forschung in Zukunft weiter probiert, die Einflüsse von Temperaturunterschieden auf die Entzündungsprozesse noch genauer zu erforschen und deren Anwendung zu rechtfertigen. Denn man weiss immer mehr über die Botenstoffe und das Entzündungsgeschehen beim Morbus Bechterew und kann damit gezielt auf die Krankheitsaktivität Einfluss nehmen kann – auch mit Wärme- und Kälte-Therapie.

Hier finden Sie mehr Informationen über die verschiedenen Therapiemethoden.

Dieser Artikel ist zuerst in der Zeitschrift «vertical» Nr. 70 erschienen.