Der Vortrag beleuchtet die zugrunde liegenden Krankheitsmechanismen, diagnostische Aspekte sowie aktuelle Erkenntnisse aus der Forschung und Therapie. Ziel ist es, ein besseres Verständnis für den Verlauf der Erkrankung und die Bedeutung einer frühzeitigen Behandlung zu vermitteln.
Themenübersicht:
- Wie kommt es zur Verknöcherung der Wirbelsäule?
- Bildgebende Verfahren und Diagnosekriterien
- Einfluss entzündlicher Prozesse auf die strukturelle Veränderung der Wirbelsäule
- Aktuelle therapeutische Ansätze und Herausforderungen
Transkript
Der Titel des heutigen Vortrages ist die Verknöcherung der Wirbelsäule. Bei der Erkrankung, die uns so interessiert, das Krankheitsbild ist das einer entzündlichen Erkrankung der Wirbelsäule mit diversen Symptomen. Ausbruch meist in jungen Alter. Die Beweglichkeit ist häufig eingeschränkt.
Die Schmerzen sind typischerweise in der Nacht und am Morgen verbunden mit einer Morgensteifigkeit und es geht immer noch zu lang, bis man die Diagnose stellt. Im Vergleich zu früher gibt es sehr viele neuere Therapiemöglichkeiten. Die Frage ist nur Können diese Medikamente auch die Verknöcherung verlangsamen oder verhindern? Nun zu den fachlichen Begriffen zur Nomenklatur der axialen Spondyloarthritis.
Wir reden ja immer noch vom Morbus Bechterew. Das ist aber reserviert für die schwere Form, für die ankylosierende, für die Verknöcherung der Spondylitis und um auch die früheren Formen und auch die milderen Formen mit einzubeziehen, spricht man heutzutage eher von der axialen Spondyloarthritis. Nun, wo passieren die Veränderungen? Es geht um Entzündungen im Bereich der Wirbelsäule. Die Erkrankung beginnt ganz unten an der Verbindung zum Becken in den sogenannten Iliosakralgelenken, die hier rot markiert sind. Wir sehen die Wirbelsäule von vorne und auf der rechten Seite auch von der Seite.
Und wenn man rein zoomt in einem Segment dieser Wirbelsäule der Lendenwirbelsäule sieht man ein Segment oben und unten, ein Wirbelkörper, dazwischen die Bandscheibe. Die Entzündung beginnt an den Kanten, dort, wo das vordere Längsbank an den Wirbelkörper ansetzt. Dort ist die Entzündung oben oder unten. Man geht davon aus, dass diese Entzündung zu einem Schaden an diesem Ort führt und dass es reparative Vorgänge sind.
Zuerst eine Verfremdung und dann verknöchernde Prozesse in Gang gesetzt werden, die dazu führen, dass eine Verknöcherung von oben nach unten und von unten nach oben einhergeht. Die Entzündung kann man im MRI darstellen, da oben auf diesen Aufnahmen. Zu einem späteren Zeitpunkt kommt es dort zu einer Verknöcherung und dann sieht man im Röntgenbild den Knochen der gebildet wurden. Wir reden von Syndesmophyt.
Hier sieht man es in mehrere Details im MRI. Die Entzündung an der Kante, dann die Bildung einer Zacke, einer knöchernen Spange. Das wäre der Syndesmophyt. Und wenn es die Bandscheibe dann bis zum oberen Wirbelkörper überbrückt, dann wäre das ein Überbrücken der Syndesmophyt. Werden jetzt ein Patient nehmen aus der eigenen Sprechstunde und Sie sehen Röntgenbilder der Lendenwirbelsäule von 2010 bis 2017.
In 2010 haben wir nur sehr wenig Veränderungen. Einzelne beginnende Syndesmophyte, die man kaum sieht. Und dann, sieben Jahre später, sieht man das einzelne Wirbelkörper dann vollständig überbrückt sind. Und das ist auch trotz Therapie passiert in all diesen sieben Jahren. Wir kommen nachher auf die Möglichkeit der Verhinderung der Syndesmophyten zurück. Nun, wie messen wir diese zunehmende Verknöcherung? Man sieht sie im Röntgenbild. Es geht darum, in Studien, wenn man Studien mit Hunderten von Patienten macht, wie tun wir sie genau messen?
Und es braucht Röntgenbilder im Abstand von zwei Jahren, weil die Verknöcherung so langsam vor sich hingeht, dass es sich nicht lohnt, häufiger Röntgenbilder zu machen. Und wir benutzen den sogenannten modifizierten Stoke Ankylosing Spondylitis Spinal Score oder mSASSS.
Und es geht darum, ob sich der Einsatz um zwei Punkte innerhalb von zwei Jahren erhöht. Als Alternative können wir auch sagen okay, wir schauen in zwei Jahren, ob sich mindestens ein zusätzlicher Syndesmophyt im Bereich der Wirbelsäule gebildet hat. Das zeige ich hier. Das wäre dieser modifizierte Score an der Halswirbelsäule. Man gibt einen Punkt, wenn es diskrete Veränderungen an den Kanten gibt, ohne Syndesmophyt also noch ohne Verknöcherung.
Man gibt eine zwei, wenn es ein Syndesmophyt an jeder Kante und man gibt eine drei, wenn es ein Überbrücken des Syndesmophyt ist. Jede Kante bekommt dann eine drei, wo dieses Überbrücken des Syndesmophyt ist. Diesen mSA-Score schauen wir uns jeweils an der Halswirbelsäule und an der Lendenwirbelsäule an, weil die Brustwirbelsäule wegen der Lunge schlechter einsehbar ist und der maximale Score, wenn überall ein Überbrücken des Syndesmophyt da wäre im Bereich der Halswirbelsäule und der Lendenwirbelsäule, das würde eine maximale Punktzahl von 72 geben.
Hier ein Beispiel. Ein Patient, ein einziger Patient. Wie wir das jeweils darstellen. Wir haben auf der Y-Achse den Röntgen-Score und unten auf der X-Achse die Krankheitsdauer in Jahren nach Beginn der Symptome. Von diesem Patienten haben wir zwei Röntgenbilder gehabt im Abstand von zwei Jahren, nach etwa 26 Jahren nach Beginn der Symptome. Beim ersten Röntgenbild hat er ein Score von 15 gehabt und beim letzten Röntgenbild, zwei Jahre später, ein Röntgen-Score von 28, also mit Zunahme der Verknöcherung.
Wie sieht es aus, wenn wir jetzt ganz viele Patienten anschauen mit dem gleichen Score? Das sieht dann so aus. Das sind jetzt 639 Patienten, bei denen wir mindestens zwei Röntgenbilder haben. Den Patient, den wir vorher gesehen haben, ist dieser hier. Und was man hier sehr schön sieht, ist, dass die Verknöcherung zu jedem Zeitpunkt der Erkrankung stattfinden kann.
Es kann sehr rasch progredient sein zu Beginn der Erkrankung, aber es kann sein, dass es erst nach 30 Jahren beginnt, zu verknöchern. Und, und das ist enorm wichtig, die meisten Betroffenen haben überhaupt keine Verknöcherung. Wie sehen es hier.
Nun, wie sieht das bei Männern und Frauen aus? Gibt es einen Unterschied? Das sieht man sehr schön, wenn man den gleichen Score, jetzt sind das die gleichen Patienten wie vorher, aber aufgeteilt nach Männern und Frauen. Und sie sehen, dass Frauen in der Regel viel weniger Verknöcherung aufzeigen und dass sie etwas später einsetzt.
Nun die axiale Spondyloarthritis, weil es auch diese milden Formen gibt, tun wir manchmal vor allem in der Forschung unterscheiden zwischen der nicht röntgenologischen Form. Das wäre die Form, wo auf dem Röntgenbild noch keine Veränderungen der Iliosakralgelenken zu sehen sind. Und die röntgenologische Form, die ankylosierende Spondylitis. Also zu Beginn würde man im Röntgen weder an den Iliosakralgelenken noch an der Wirbelsäule Verknöcherung sehen. Aber man sieht die Entzündung im MRI.
Und dann beginnen die Veränderungen an den Iliosakralgelenken. Die strukturellen Veränderungen kann man dann sehen und ab dann spricht man von der ankylosierenden Spondylitis, unabhängig davon, ob bereits Verknöcherung an der Wirbelsäule stattgefunden haben oder nicht. Nun haben wir jetzt die Wirbelsäule angeschaut, nach dem gleichen Schema haben wir geschaut, inwieweit in der nicht rein röntgenologische Form, also wenn noch keine Veränderungen struktureller Natur an den Iliosakralgelenken da sind, ob man etwas an der Wirbelsäule sieht. Und siehe da, es hat praktisch keine Veränderungen.
Also die Krankheit beginnt an den Iliosakralgelenken und es muss dort erst etwas sichtbar sein, bevor es nachher weitergeht mit der Wirbelsäule. Also praktisch, sämtliche Knöcherung an der Wirbelsäule, beginnen erst wenn man etwas im Röntgen an den Iliosakralgelenken sieht. Nun die große Frage, kann man diese Veränderung, die Verknöcherung, verlangsamen? Aufhalten? Verhindern?
Und für das möchte ich noch ganz kurz die Behandlungsmöglichkeiten kurz besprechen, die wir heutzutage haben. Wenn wir nur Beschwerden an der Wirbelsäule haben, sind nichtsteroidale Antirheumatika immer noch Therapie der Wahl, wie Diclofenac, Voltaren oder Ibuprofen. Und wenn diese ungenügend wirken, würde man, wenn die Krankheitsaktivität, nachweisbar ist, bereits mit Biologika einschreiten. Das wären heutzutage die TNF-Hemmer oder die Interleukin-17-Hemmer.
Wenn periphere Manifestationen wie eine Arthritis da wäre und keine Beschwerden an der Wirbelsäule, dann kommen auch die sogenannten konventionellen Basis Therapeutika. Das wäre zum Beispiel Salazopyrin oder Methotrexat in Frage. Aber meistens haben wir ja die Beschwerden an der Wirbelsäule und da würde man bei ungenügendem ansprechen auf nichtsteroidale Rheumatika, direkt zu den Biologika einhergehen.
Und diese wirken an sich sehr gut. Weil ich würde sagen etwa die Hälfte der Patienten an sich haben sie die Behandlung des Morbus Bechterew schliesslich revolutioniert. Es gibt aber immer noch Patienten, die ungenügend ansprechen und bei denen man eine andere Therapieoption, die Medikamentenklasse des Biologikums, dann wechseln muss. Und nun stellte sich die Frage, können Biologika die Verknöcherung aufhalten?
Wir haben die Studie 2015 in Gang gesetzt, als wir die Röntgenbilder der Schweizerischen Kohorte angeschaut haben. Das sind die Bilder, die wir vorhin gesehen haben.
Und jetzt wird es etwas kompliziert. Ich hoffe, sie sind gut angeschnallt. Es geht darum, wir haben uns gefragt, ob TNF-Hemmer, also das wären die ersten Biologika, die auf dem Markt waren, die Verknöcherung verlangsamen können. Und wollten gleichzeitig wissen, ob andere Parameter, ob andere Störfaktoren das ebenfalls machen können und welche Zusammenspiele zwischen all diesen Faktoren eine Rolle spielen.
Wir haben die verschiedenen Röntgenbilder in Abstand von zwei Jahren gehabt und haben immer nach zwei Jahren geschaut, ob mindestens ein Syndesmophyt zusätzlich gebildet wurde.
Und das verglichen bei den Patienten die TNF-Hemmer hatten und denjenigen, die es nicht hatten. Und jetzt kommt der schwierigste Teil. Das wären die Resultate, ich werde versuchen, im Detail hier auf die Resultate einzugehen. Auf der Y-Achse hier sind sämtliche Parameter, die wir angeschaut haben und ganz oben ist die Behandlung mit TNF-Hemmer. Und dann haben wir, wir wussten, welche Parameter, welche Faktoren ebenfalls eine Rolle spielen können, wie zum Beispiel das männliche Geschlecht, das Alter, Rauchen, die Arthritis, Übergewicht, Bewegung haben wir auch reingenommen und haben geschaut, inwieweit jeder dieser Parameter die Verknöcherung beeinflussen könnte.
Was wir hier anschauen, ist die sogenannte Odds ratio. Das ist ein Quotenverhältnis, also eine Wahrscheinlichkeit, dass unter dem TNF-Hemmer eine Verknöcherung passiert. Verknöcherung im Sinne von mindestens einem Syndesmophyten pro zwei Jahren. Wenn die Quote das Quotenverhältnis eins ist, dann machen TNF-Hemmer gar nichts.
Wenn es unter eins ist, dann haben wir eine Verlangsamung. Wenn es über eins ist, ist es eine Verschlechterung der Verknöcherung. Und enorm wichtig, das sogenannte Konfidenzintervall, die Bandbreite wo dieses Resultat sein sollte, sollte die eins nicht überschreiten, weil nur dann das Resultat signifikant ist, von Aussagekraft. Und wir sehen das bei TNF-Hemmer Behandlung dieser Wert mit 0,55 auf der linken Seite ist und das Konfidenzintervall die eins nicht überschreitet.
Wir können also sagen, die TNF-Hemmer halbieren die Wahrscheinlichkeit einer röntgenologischen Progression. Definiert als mindestens ein zusätzlicher Syndesmophyt in zwei Jahren um etwa die Hälfte. Das ist natürlich aufgrund der gesamten Population und nicht bei einem einzelnen. Wir haben hier auch gesehen, dass der wichtigste Faktor ist, bereits bestehende Verknöcherung. Sie sehen hier, der Faktor ist 8,8, also ein riesen Nachteil, die bereits Syndesmophyten haben, die werden zusätzliche Syndesmophyten in der Zukunft haben.
Nun, jetzt kommt noch die Dauer der Behandlung ins Spiel. Das ist praktisch das gleiche, aber jetzt in Tabellen Form, nicht in graphischer Form. Ob die Behandlung mit TNF-Hemmer unter vier Jahre oder über vier Jahre da war. Und Sie sehen, dass diese Odds Ratio von 0,55 weit darunter geht, also noch weiter nach links. Also die Behandlung scheint, je länger die Behandlung ist, desto mehr wird die Verknöcherung verlangsamt.
Kurz als Zusammenfassung: Ich habe gezeigt, dass nur ein Teil der betroffenen axSpA Patientinnen überhaupt eine Verknöcherung der Wirbelsäule haben, dass der Zeitpunkt und Intensität des Verknöcherungsprozesses individuell äusserst unterschiedlich ist. Die wichtigsten Prädiktoren ist die Krankheitsaktivität. Das mussten wir hier aus technischen Gründen rauslassen, aber wir konnten zeigen, dass tatsächlich die TNF-Hemmer, die Verknöcherung verlangsamen durch Verhinderung der Krankheitsaktivität, dann das männliche Geschlecht und bereits vorhandene Ankylose.
Die Behandlung mit TNF-Hemmer scheint die Verknöcherung zu verlangsamen. Wir wissen aber noch nicht, in wie weit die präventive Gabe den Beginn der Verknöcherung verhindern kann. Nun ganz kurz zum Ausblick. Diese erste Analyse war vor bald zehn Jahren und wir haben jetzt erneute Röntgenbilder, viel mehr Patientinnen. Es sind über 1000 Patientinnen, bei denen wir die Röntgenbilder im Verlauf alle zwei Jahre gesammelt haben.
Und es stellen sich ganz viele neue Fragen, können Interleukin 17 Hemmer im gleichen Ausmass die Verknöcherung verlangsamen? Wie sieht es mit nichtsteroidale Antirheumatika aus? 2005 war eine erste Studie, die gezeigt hat, dass es tatsächlich die Verknöcherung auch hemmen könnte. Das wurde aber in anderen Studien nicht bestätigt. Wie ist es mit der Bewegung? Wir wissen ja alle, dass Bewegung gut tut.
Wir werden wahrscheinlich auch etwas Physiotherapie und Bewegung zwischendurch haben. Wenn ich mich an frühere Versammlungen erinnere. Und wie ist es, wenn wir ganz früh behandeln? Wenn wir innerhalb von zwei Jahren nach Symptombeginn behandeln? Kann es dort sein, dass wir allenfalls die Verknöcherung verhindern könnten?
Ich möchte mich bedanken bei all denen, die beigetragen haben zu diesen Studien, die ich jetzt gezeigt habe: Die Mitarbeiter der SCQM Foundation, des Registers, meine Kolleginnen und Kollegen am USZ und das Sponsoring von verschiedenen Stiftungen. Herzlichen Dank!