Zwei Betroffene, zwei Generationen

Die Lehrabschlussarbeit von SVMB-Mitglied Joel Plattner (23) führte zu einem spannenden Austausch mit SVMB-Ehrenmitglied Ruedi Wüger (70).

31. März 2020

Fast ein halbes Jahrhundert liegt zwischen dem Geburtsjahr von SVMB-Ehrenmitglied Ruedi Wüger aus Oberglatt ZH und demjenigen von Joel Plattner aus Zürich, ebenfalls Mitglied der Bechterew-Vereinigung. Es war kurz vor Jahresende, als die Geschäftsstelle die Anfrage des jungen Augenoptikers kurz vor Abschluss seiner Berufslehre erreichte. Er sei selbst vom Bechterew betroffen und schreibe seine Abschlussarbeit über das Krankheitsbild. Und er würde sehr gerne ein Interview mit jemandem machen, der schon lange mit dem Bechterew lebe und noch nicht von den heutigen Medikamenten habe profitieren können. Mit Ruedi Wüger, der seit seiner Jugend mit Schmerzen und Beschwerden zu tun hat und der seit der Gründung Mitglied der SVMB ist, konnte die Geschäftsstelle der SVMB einen idealen Gesprächspartner finden. Und er stellte sich auch gerne für dieses Anliegen zur Verfügung.

Zwei Generationen
Jung und Junggeblieben an einem Tisch: Joel Plattner (l.) und Ruedi Wüger tauschten sich über den Bechterew früher und heute aus. © Schweizerische Vereinigung Morbus Bechterew

Was Ruedi Wüger mit seiner Krankheit alles durchmachen musste, lässt sich kaum in ein kurzes Gespräch noch in einen Artikel packen: von mehreren teils abstrusen Fehldiagnosen und Behandlungen, die aus heutiger Sicht grobfahrlässig anmuten, bis hin zur endlich richtigen Diagnose mit anschliessender Behandlung des Morbus Bechterew. Trotz all dieser Episoden ist Ruedi Wüger kein bisschen missmutig, wenn er heute davon erzählt: «Was bringt es, wenn ich in einer Ecke sitze und mich selbst bemitleide? Gar nichts!»

«Wie war das für dich?»

Joel Plattner hört den Ausführungen von Ruedi Wüger gespannt und aufmerksam zu. Trotz seines noch jungen Alters ist auch er sich voll bewusst, was es heisst, mit dem Morbus Bechterew zu leben. Auch er hat schon schwere Schübe durchgemacht, in denen er nur noch in der Badewanne liegend einigermassen zur Ruhe kommen konnte. Und auch er ist wie Ruedi Wüger in einer TNF-Alpha-Therapie, mithilfe derer es ihm heute «körperlich sehr gut geht», wie er erzählt. Sein Leben werde deshalb nicht von der Krankheit dominiert, sagt er. Und von Ruedi Wüger will er wissen: «Wie war das für dich, beruflich und im Privatleben?»

«Ich hatte zum Glück immer sehr viel Verständnis, sowohl von meinem Arbeitgeber wie auch von meiner Familie», erzählt Ruedi Wüger. Er könne sich aber gut vorstellen, dass es nicht alle Bechterew-Betroffenen so leicht hatten unter den eigentlich sehr schwierigen Umständen. Joel Plattner braucht vielleicht nicht mehr so viel Verständnis wie Ruedi Wüger. Und vielleicht ist es ihm gerade deshalb ein grosses Anliegen, darauf hinzuweisen, wie es früher war, mit Morbus Bechterew zu leben, und was es heute heisst. Seine Abschlussarbeit ist eine Art Kampf gegen das Vergessen, damit die Betroffenen – wenn nötig – auch heute noch Unterstützung und Verständnis erfahren.

«Lebe viel gesünder»

Trotz der Odyssee, die Ruedi Wüger mit dem Bechterew durchlebte, und trotz gewissen Einschränkungen, die auch Joel Plattner bereits in jungen Jahren in Kauf nehmen muss, fällt der äusserst positive Umgang beider Betroffenen mit dem Bechterew auf. Joel Plattner sieht in der Krankheit gar eine Chance: «Seitdem ich die Diagnose habe, lebe ich viel gesünder. Ich mache mehr Sport und habe aufgehört zu rauchen.» Auch Ruedi Wüger hat sein Leben lang auf einen gesunden Lebenswandel geachtet.

Das Gespräch zwischen den zwei Betroffenen aus zwei verschiedenen Generationen konnte nur stattfinden, weil Joel Plattner den mutigen Entscheid gefällt hatte, als Thema seiner Abschlussarbeit die eigene Krankheit zu wählen. In diesem Zusammenhang meinte Ruedi Wüger: «Es ist schon beeindruckend, was heutzutage alles von den jungen Leuten erwartet wird.» Bei seinem eigenen Lehrabschluss sei es vor allem um die praktischen Fähigkeiten gegangen. Doch auch wenn die heutigen Anforderungen anders sind und diese vielleicht gerade auch mit dem Bechterew manchmal schwer zu bewältigen sein können, bietet die Abschlussarbeit von Joel Plattner doch die Gelegenheit, einem weiteren Personenkreis aufzuzeigen, was es heisst, mit dem Bechterew zu leben. Früher und heute.